Einen Rabattgutschein würde kein vernünftiger Mensch entgeltlich erwerben, weil er als Teilnehmer am Cashback-System ebenfalls den Rabatt erhalten würde, aber ohne vorher einen Gutschein kaufen zu müssen.
Der Erwerb eines derart teuren Rabattgutscheins hat für Marketer offensichtlich überhaupt nur den Sinn, Vergütungen zu erhalten, ohne dass sie dafür etwas tun müssen, außer den Kaufpreis zu zahlen.
Insbesonders hängen diese Vergütungen nicht vom Verhalten anzuwerbender Teilnehmer ab. Insofern bestätigte Lyoness, dem Kläger sei ein laufendes Einkommen als „Selbstläufer“ ohne weiteres Tätigwerden in Aussicht gestellt worden. Der Kauf eines Limited Edition Discount Vouchers stellt sich wirtschaftlich betrachtet für einen Teilnehmer als reine Geldanlage dar.
Der Marketer finanziert die Rabatte durch den Kaufpreis für den Rabattgutschein vor. Wirtschaftlich kommt das einem zinsenlosen Darlehen des Marketers an Lyoness gleich.
Sollte der Kläger – auf Grund der Vorgaben im Registrierungsformular – im Zuge der Registrierung angegeben haben, Unternehmer zu sein, dürfte Lyoness darauf nicht vertrauen.
Lyoness hat sich zwar erkennbar bemüht, ihrem Geschäftsmodell den Anschein eines zulässigen Strukturvertriebs zu geben, allerdings erfolglos. Bezeichnend für den wirtschaftlichen Gehalt des Vertragsverhältnisses ist der von Lyoness selbst hervorgehobene Umstand, dass der Kläger über einen Zeitraum von nahezu 3 Jahren Rabattgutscheine um EUR 10.250,00 gekauft hat, für die er offensichtlich keine Verwendung hatte.
Nach Art 6 lit c) der Richtlinie 2005/29 gilt eine Geschäftspraxis als irreführend, wenn sie falsche Angaben enthält und somit unwahr ist oder wenn sie in irgendeiner Weise selbst mit sachlich richtigen Angaben geeignet ist, den Durchschnittsverbraucher über den Umfang der Verpflichtungen des Gewerbetreibenden, die Beweggründe für die Geschäftspraxis und die Art des Vertriebsverfahrens zu täuschen und ihn tatsächlich oder voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er ansonsten nicht getroffen hätte. Das Geschäftsmodell Lyoness täuscht den Durchschnittsverbraucher über solche Umstände.
Der Umfang der Verpflichtungen von Lyoness zur Leistung von „Vergütungen“ wird durch die seitenlangen, komplizierten und großteils nur schwer oder gar nicht nach- vollziehbaren Klauseln über die Verbuchung und Umbuchung von Shopping Points und Units verschleiert.
Durchschnittsverbraucher werden dadurch voraussichtlich zu geschäftlichen Entscheidungen veranlasst, die sie ansonsten nicht getroffen hätten, nämlich zum Ankauf diverser Rabattgutscheine in der Erwartung hoher Gewinne.
Die Vorgaben von Lyoness in den AGB verleiten Teilnehmer zu laufenden Zahlungen an sie, deren Zweck ausschließlich die Erzielung von Vergütungen ist.
Auszug:
Gegenstand dieses Verfahrens sind hauptsächlich Rückforderungsansprüche aus dem Kauf von Rabattgutscheinen. Diese können nach den AGB der beklagten Partei nicht im direkten Wege bei Einkäufen bei Partnerunternehmen eingesetzt werden und werden weder vollständig noch teilweise bar zurückerstattet. Für Käufe bei Partnerunternehmen erhält ein Marketer einen Rabatt. Zusätzlich erhält er auf dem Umweg über Shopping Points einen Bruchteil des Kaufpreises des Rabattgutscheins rückerstattet, dessen Wert vom Rabattgutschein abgezogen wird. Die beklagte Partei hat in erster Instanz selbst ein Rechenbeispiel gebracht, aus dem sich ergibt, dass der Marketer die Rabatte durch den Kaufpreis für den Rabattgutschein vorfinanziert. Wirtschaftlich kommt das einem zinsenlosen Darlehen des Marketers an die beklagte Partei gleich. Die einzige mögliche sonstige Verwendung besteht darin, Rabattgutscheine zu verschenken (Beilage ./2, Punkt 5.1). Einen solchen Gutschein würde kein vernünftiger Mensch entgeltlich erwerben, weil er als Teilnehmer am Cashback-System ebenfalls den Rabatt erhalten würde, aber ohne vorher einen Gutschein kaufen zu müssen. Ausschlaggebend dafür, dass dennoch solche Rabattgutscheine gekauft werden, ist nach den Feststellungen folgendes:
Voraussetzung dafür, dass Marketer überhaupt von der beklagten Partei Vergütungen beziehen können, ist die Vergütungsberechtigung. Um diese zu erlangen, benötigt der Marketer nach dem Lyconet Compensation Plan (Seite 6 in Beilage ./A) 50 Shopping Points „in der aktuellen Woche + in max. 5 vorangegangenen Wochen“. Beim Kauf von Rabattgutscheinen rechnet die beklagte Partei dem Marketer Shopping Points an (Punkt 3.1 in Beilage ./2). Der Marketer kann sich die Vergütungsberechtigung am einfachsten und zuverlässigsten dadurch sichern, dass er wöchentlich Rabattgutscheine um einen Preis erwirbt, der zur Gutschrift von 50 Shopping Points führt.
Der Limited Edition Discount Voucher ist nach dem Vorbringen der beklagten Partei ein spezieller Rabattgutschein, den sie nur zu festgesetzten vierstelligen Beträgen verkauft. Im Unterschied zu gewöhnlichen Rabattgutscheinen berechtigt er den Marketer, an den Shopping Points aus den Customer Clouds zu partizipieren, dh (vereinfacht gesagt) dass er einen Teil jener Shopping Points gutgeschrieben erhält, für die kein Marketer bezugsberechtigt ist. Der Erwerb eines derart teuren Rabattgutscheins hat für Marketer offensichtlich überhaupt nur den Sinn, Vergütungen zu erhalten, ohne dass sie dafür etwas tun müssen, außer den Kaufpreis zu zahlen. Insbesonders hängen diese Vergütungen nicht vom Verhalten anzuwerbender Teilnehmer ab. Insofern bestätigte die beklagte Partei der Sache nach das Vorbringen des Klägers, ihm sei ein laufendes Einkommen als „Selbstläufer“ ohne weiteres Tätigwerden in Aussicht gestellt worden. Nach dem unstrittigen Sachverhalt stellt sich der Kauf eines Limited Edition Discount Vouchers wirtschaftlich betrachtet für einen Teilnehmer als reine Geldanlage dar. Das gilt auch für die gewöhnlichen Rabattgutscheine, deren einzig sinnvoller Zweck die Erhaltung einer Vergütungsberechtigung ist.
Die Teilnahme an einem derartigen System ist keine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit. Nach dem erkennbaren Vertragszweck wollte der Kläger keine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit aufnehmen, sondern seine finanziellen Mittel durch Anlage bei der beklagten Partei vermehren. Wer für ein solches System andere Personen als weitere Teilnehmer anwirbt, wird dadurch nicht zum Veranstalter. Die beklagte Partei gibt (nach ihrem Vorbringen) bei Vertragsabschluss entgegen dem von ihr selbst gewählten Geschäftsmodell vor, nur mit Unternehmern zu kontrahieren. Dadurch kann sie Teilnehmer aber nicht tatsachenwidrig zu Unternehmern machen. Die beklagte Partei muss damit rechnen, dass auch (österreichische) Verbraucher sich von den in Aussicht gestellten Gewinnen anlocken lassen und registrieren. Die Erklärung eines Vertragsteils über die Verbrauchereigenschaft ist eine Wissenserklärung, die auch falsch sein kann (4 Ob 102/15a). Eine solche Tatsachenbestätigung in AGB ist nach § 6 Abs 1 Z 11 KSchG nichtig, weil sie Verbrauchers mit einem Beweis belastet, den sie sonst nicht erbringen müssten (RIS-Justiz RS0121955). Sollte der Kläger – auf Grund der Vorgaben der beklagten Partei im Registrierungsformular – im Zuge der Registrierung angegeben haben, Unternehmer zu sein, dürfte die beklagte Partei darauf nicht vertrauen.
Der Kläger ist daher als Verbraucher zu beurteilen.
Die beklagte Partei hat sich zwar erkennbar bemüht, ihrem Geschäftsmodell den Anschein eines zulässigen Strukturvertriebs zu geben, allerdings erfolglos. Bezeichnend für den wirtschaftlichen Gehalt des Vertragsverhältnisses ist der von der Berufungswerberin selbst hervorgehobene Umstand, dass der Kläger über einen Zeitraum von nahezu 3 Jahren Rabattgutscheine um EUR 10.250,00 gekauft hat, für die er offensichtlich keine Verwendung hatte. Die beklagte Partei hat zwar in erster Instanz behauptet, der Kläger habe die gekauften Rabattgutscheine und LEDV für diverse Einkäufe verwendet. Sie nannte aber keine konkreten Einkäufe und bezog sich nur auf die „zahlreichen weiteren Mitgliedervorteile“, wie sie der Kläger selbst in der Klage beschreibe. Der Klage ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger Gutscheine für Einkäufe verwendet hätte.
Nach der zitierten Entscheidung des EuGH darf eine Praktik, die nicht in Anhang I der Richtlinie 2005/29 aufgeführt ist, auch dann verboten werden, wenn eine spezifische und konkrete Beurteilung auf ihre Unlauterkeit im Sinne der Art 5 bis 9 dieser Richtlinie schließen lässt. Nach Art 6 lit c) der Richtlinie 2005/29 gilt eine Geschäftspraxis als irreführend, wenn sie falsche Angaben enthält und somit unwahr ist oder wenn sie in irgendeiner Weise selbst mit sachlich richtigen Angaben geeignet ist, den Durchschnittsverbraucher über den Umfang der Verpflichtungen des Gewerbetreibenden, die Beweggründe für die Geschäftspraxis und die Art des Vertriebsverfahrens zu täuschen und ihn tatsächlich oder voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er ansonsten nicht getroffen hätte. Unter diesen Voraussetzungen ist daher eine analoge Anwendung der Bestimmungen über das Verbot von Schneeballsystemen zulässig.
Das Geschäftsmodell der beklagten Partei täuscht den Durchschnittsverbraucher über solche Umstände. Der Umfang der Verpflichtungen der beklagten Partei zur Leistung von „Vergütungen“ wird durch die seitenlangen, komplizierten und großteils nur schwer oder gar nicht nach- vollziehbaren Klauseln über die Verbuchung und Umbuchung von Shopping Points und Units verschleiert. Es ist nicht möglich, auf Grund der umfangreichen Beschreibungen ziffernmäßig zu errechnen, unter welchen Voraussetzungen ein Marketer letztlich welche Beträge ausbezahlt erhalten soll. Großteils fehlen notwendige Voraussetzungen für Rechenoperationen. Beispielsweise wird nicht erklärt, wie Shopping Points bzw Units in andere Kategorien oder „Balancen“ übertragen werden und wie sie dort verbucht werden, ua weil nicht erklärt wird, was die Verbuchung rechts / links bedeutet und nach welchen Regeln sie vorzunehmen ist. Es wird auch nicht erklärt, was die Kategorien 1 – 5 sind und wie Shopping Points bzw Units dort zu verbuchen sind. In Tabellen sind mögliche Gewinne in teilweise vierstelliger Höhe ersichtlich, ohne dass Teilnehmer auch nur annähernd abschätzen können, unter welchen Voraussetzungen sie derartige Beträge lukrieren können. Durchschnittsverbraucher werden dadurch voraussichtlich zu geschäftlichen Entscheidungen veranlasst, die sie ansonsten nicht getroffen hätten, nämlich zum Ankauf diverser Rabattgutscheine in der Erwartung hoher Gewinne. Der Sachverhalt ist daher analog zu Z 14 des Anh als verbotene Geschäftspraxis zu beurteilen.
Selbst wenn man diese Ansicht nicht teilen wollte, wäre im Einzelfall zu beurteilen, ob ein solches Vertriebssystem aggressiv, irreführend oder sonst unlauter ist (4 Ob 26/09s; Kucsko/Woller in Wiebe/Kodek, UWG2 § 27 Rz 7; Woller, Glosse zu EuGH C-515/12, ecolex 2014/295, 725). Ein Kundenprämiensystem, bei dem sich aufgrund fehlender Transparenz nicht ergibt, ob und was der Kunde, der an diesem System teilnimmt, im Konkreten erhalten soll, ist unlauter (Heidinger; Handig; Wiebe; Frauenberger; Burgstaller in Wiebe/Kodek, UWG2 § 1 Rz 1089).
Nach den (auch insofern schwer verständlichen) AGB der beklagten Partei erhöht sich mit der Anzahl der akkumulierten Shopping Points auch die Höhe der letztlich auszuzahlenden Vergütungen. Vergütungen in relevanter Höhe können nur aus Einkäufen der (direkt oder indirekt) angeworbenen Mitglieder (sogenannte Lifeline, siehe zB Seite 3 in Beilage ./A) erzielt werden Die Anzahl dieser Mitglieder erhöht tendenziell die Anzahl der Shopping Points, die ein Marketer lukrieren kann. Werden angeworbene Mitglieder selbst als Marketer für die beklagte Partei tätig, vervielfacht deren Tätigkeit die Anzahl der Mitglieder in der Lifeline. Die Gewinnerwartung erhöht sich wesentlich, wenn man nicht nur Mitglieder für das Cashback World Programm gewinnt, sondern auch weitere Teilnehmer am Geschäftsmodell der beklagten Partei.
Diese Vorgaben der beklagten Partei verleiten Teilnehmer zu laufenden Zahlungen an sie, deren Zweck ausschließlich die Erzielung von Vergütungen ist. Dadurch unterscheidet sich dieses Geschäftsmodell von einem üblichen Strukturvertrieb, wie er beispielsweise der Entscheidung 4 Ob 26/09s zugrunde lag. Die Verbindung von laufenden, zumindest in Summe nicht unbeträchtlichen Zahlungen an die beklagte Partei, um sich damit im Ergebnis bloß eine Vergütungsberechtigung zu sichern, mit dem Anreiz, dem System weitere Teilnehmer zuzuführen, ist sittenwidrig (vgl 9 Ob 40/18z). Das Modell ist auf ständiges Wachstum unter ähnlichen Rahmenbedingungen ausgelegt, sodass später angeworbene Teilnehmer aufgrund der Marktübersättigung ihren Einsatz verlieren, was ebenfalls Sittenwidrigkeit begründet (vgl 4 Ob 10/19b). Weil das gesamte Vertragsverhältnis zwischen den Parteien nur den sittenwidrigen Zwecken dient, sind sämtliche wechselseitigen Leistungen, die der Höhe nach unstrittig sind, rückabzuwickeln.