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OLG Wien 08.02.2021 33 R 102/20t

Lyoness bewirbt die Customer Clouds als gute Möglichkeit, erspartes Geld anzulegen.

Es liegt eine „Verbrauchersache“ vor, wenn die Klägerin die bei Lyoness erworbenen Rabattgutscheine weder gegenwärtig noch künftig beruflich oder gewerblich verwenden wollte.

Die Klägerin war bei der Registrierung Angestellte und schloss die Verträge mit der Beklagten zu privaten Zwecken; sie wollte ihr Erspartes anlegen. Der Zweck des Vertrags bestand also nicht in der beruflichen oder gewerblichen Verwendung des Gegenstands oder der Dienstleistung, auf die sich der Vertrag bezieht.

Die Ansicht der Beklagten, sie habe zu Recht den Eindruck gewinnen können, die Klägerin handle zu beruflich-gewerblichen Zwecken, ist jedenfalls nicht zu teilen:

Die Klägerin hat sich bei der Beklagten als Mitglied registriert und Rabattgutscheine erworben. Dafür musste sie die Lyconet-Vereinbarung abschließen, nach der sie die Rabattgutscheine nicht nur zu Marketingzwecken verschenken, sondern auch selbst bei den Partnerunternehmen einlösen konnte (vgl Punkte 2.2, 5.1 und 5.2 der Lyconet-Vereinbarung). Die Registrierung als Mitglied, der Abschluss der Lyconet-Vereinbarung und der Erwerb von Rabattgutscheinen sind vor diesem Hintergrund jedenfalls noch keine Hinweise auf eine (gegenwärtige oder künftige) unternehmerische Tätigkeit des Mitglieds – könnte es doch, selbst wenn man dem Vorbringen der Beklagten folgen wollte, auch am Erwerb von Rabattgutscheinen zur eigenen Einlösung interessiert sein.

Die einseitig von der Beklagten formulierte Fiktion in der Präambel und in Punkt 3.2. der Lyconet-Vereinbarung ist rechtlich bedeutungslos, sowohl für die Frage des Vertragszwecks als auch für die Frage, ob der Vertragspartner den Eindruck erweckt, unternehmerisch tätig sein zu wollen. Andernfalls könnte jeder Verbraucherschutz durch eine entsprechende Fiktion beseitigt werden.

Die Ansicht der Beklagten, ihr durchschnittlicher Vertragspartner sei an der Aufnahme einer selbständigen Vermittlertätigkeit interessiert, teilt das Berufungsgericht nicht. Sie beruht augenscheinlich auf der Fiktion in ihren Vertragsformblättern, zB in der Präambel und in Punkt 3.2 der Lyconet-Vereinbarung, und ist – wie der Fall der Klägerin zeigt – realitätsfremd.

Der Fall der Klägerin zeigt, dass Zahlungen an die Beklagte in der Höhe von beinahe EUR 40.000 noch nicht für eine Vergütungsberechtigung ausreichen, sondern praktisch vergütungslos „versickern“.

Auszug:

Der Vergütungsplan (Lyconet Compensation Plan) ist professionell gestaltet und erweckt auf den ersten Blick den Eindruck, dass die Höhe der Vergütung anhand vorab definierter Parameter ermittelt wird. Bei der näheren Betrachtung zeigt sich aber, dass diese Parameter praktisch nicht zu durchschauen sind. Das Berufungsgericht konnte trotz intensiver Auseinandersetzung mit dem Vergütungsplan nicht ermitteln, wie die Shopping Points in die in Aussicht gestellte Vergütung umgerechnet werden. 

Dies kann zB anhand der von der Klägerin durch den Kauf der ersten Rabattgutscheine erworbenen 2400 Shopping Points illustriert werden: Aus dem Vergütungsplan ergibt sich, dass diese in zwei Units der Balance-Kategorie 4 umgerechnet werden. Welche konkrete Vergütung sich aber aus diesen beiden Units ergibt, bleibt offen. Erkennbar ist, dass die Vergütung von „Folge-Units“ abhängen soll. Der Vergütungsplan vermittelt aber weder nachvollziehbar, wie „Folge- Units“ entstehen, noch was es mit der „vorgegebenen Anzahl (links/rechts) an Folge-Units“ auf sich hat. Begriffe wie „Bonus Units“, „Transfer Units“ oder „Kunden Units“ stiften ebenso Verwirrung wie „persönliche Balance“, „nationale Balance“, „kontinentale Balance“ und „interkontinentale Balance“. Mit anderen Worten: Der Verbraucher kann aus dem Vergütungsplan vorab nicht erkennen, unter welchen Voraussetzungen er mit einer Vergütung in welcher Höhe rechnen kann. Falls er eine Vergütung erhalten sollte, kann er auch nicht sinnvoll überprüfen, ob diese richtig berechnet wurde. Dass die Höhe der Career Commission ermittelt werden könnte, ändert daran nichts, weil diese nur ein Teil der in Aussicht gestellten Vergütung ist.

Die Vergütungsregeln sind damit entgegen der Ansicht der Beklagten nicht bloß „komplex“, sondern in höchstem Maße intransparent.

Zusammengefasst vermitteln die vorgefassten Klauseln über die Vergütung in Zusammenschau mit dem Vergütungsplan dem Verbraucher ein falsches oder zumindest unklares Bild seiner vertraglichen Position. Der Verbraucher, der sich mit den Grundlagen seines Vergütungsanspruchs auseinandersetzt, erhält keine klare und verlässliche Auskunft über seine Rechtsposition. Er kann seine Rechte und Pflichten nicht klar erkennen; die konkreten Auswirkungen der Vergütungsbestimmungen bleiben unklar. Er kann auch nicht überprüfen, ob eine allfällige Vergütung richtig berechnet wurde. Da die Unzulässigkeit der Bestimmung, auf die verwiesen wird (Vergütungsplan), zwingend zur Unzulässigkeit der verweisenden Bestimmung (alle Bestimmungen der Lyconet-Vereinbarung über den Vergütungsanspruch) führt, bedarf die Rechtsansicht des Erstgerichts, die Bestimmungen über die Vergütung seien intransparent, keiner Korrektur.